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Claudine Metzger (© Copyright):

«Bernhard Sauter – Arbeiten auf Papier»

Vernissagenrede, 3.11.2002


Meine Damen und Herren

Bernhard Sauter gehört zu den vielseitigsten Schweizer Künstlern. Er war nicht nur Maler, Zeichner und Bildhauer, sondern auch Karikaturist, Szenenbildner beim Schweizer Film und Mitherausgeber der Literaturzeitschrift HEFT.
Die rund 60 Zeichnungen, die Sie in der Ausstellung sehen können, stellen selbstver-ständlich nur einen Ausschnitt aus dem umfangreichen Werk dar. Sie repräsentieren jedoch alle Schaffensperioden von den Anfängen Ende der 50er Jahre bis kurz vor seinem frühen Tod 1997.
Zudem war die Zeichnung jenes Medium, dessen sich Bernhard Sauter seit Beginn seiner künstlerischen Laufbahn immer wieder bediente. Und so schlugen sich auch verschiedene Lebensphasen in ihnen nieder: 1983 die sorglose Zeit, als er als Stipendiat im Atelier der Stadt Zürich in Genua arbeiten durfte, findet sich in den hellen Aquarellen genauso wieder, wie das für ihn schwierige Jahr 1991, in dem er einen schweren Herzinfarkt erlitt, in den apokalyptischen Landschaften.

Bernhard Sauter war Autodidakt. Sein eigenständiges Künstlerleben nahm mit Beginn seiner Hochbauzeichnerlehre 1957 seinen Anfang, nachdem eine Reproduktion von Paul Klees Bild „Die Zwitschermaschine“ (1922) im jungen Sauter schon sehr früh den Wunsch geweckt hatte, Künstler zu werden.
Inspiration für seine eigenen Werke erhielt Sauter nicht nur durch die Kunstgeschichte bzw. von Künstlern, die er sehr schätzte, wie eben Klee, Picasso, Toulouse-Lautrec, Degas und englische Pop-Künstler, sondern auch aus der Literatur und dem Film (Fellini). Ebenso brachte ihm seine Arbeit als Filmausstatter für die Regisseure Kurt Gloor, Rolf Lyssy, Herbert Brödl und viele andere manche Anregung, indem sie ihm Einblick verschaffte in so unterschiedliche Milieus wie beispielsweise Klöster und Bordelle. Schliesslich hinterliessen auch seine Reisen, die er mit Ausnahmen alleine unternahm, Eindrücke, die sich in seinen Bildern vermischt mit seinen Phantasien, Erinnerungen an Geträumtes und Gelesenes niederschlugen. So lernte er beispiels-weise während seines Aufenthaltes in Cordobà 1962/63 den Flamenco und den Stier-kampf kennen – zwei Kunstformen, die ihn wegen der in ihnen enthaltenen Energie und Leidenschaft in Bann zogen und in einigen Zeichnungen eine Rolle spielen.

Überhaupt schien Bernhard Sauter das Abenteuer, das Unberechenbare – alles, was das existentielle Lebensgefühl steigert – zu faszinieren. Beinahe in allen Städten, die er besuchte, übten auf ihn Hafenviertel und Rotlichtdistrikte eine besondere Anziehung aus. 1968 in New York durchstreifte er Quartiere, die fast ausschliesslich von Afro-amerikanern bewohnt waren und im thailändischen Urwald liess er sich von einem Ortskundigen zu einem Volk bringen, das noch nie einen Europäer zu Gesicht bekommen hatte.
Diese Abenteuerlust war es, die er schliesslich in der Kunst am besten befriedigen konnte, denn sie war ihm letztes Refugium, das ihm erlaubte, in unerforschtes Gebiet aufzubrechen. Und so widmete sich Bernhard Sauter der Kunst mit derselben Intensität, mit der er fremde Weltgegenden bereiste. Auf formaler Ebene entspricht dieser Lebenshaltung Bernhard Sauters Experimentier-freudigkeit, die schon fast sinnbildlich ist für sein künstlerisches Schaffen. Neben dem Zeichnen und Malen eignete er sich fortlaufend neue Techniken an, wie das Radieren, die Hinterglasmalerei, die Bildhauerei. Bei den Arbeiten auf Papier, die Sie in der Ausstellung sehen können, äussert sich diese Experimentierfreudigkeit in der Mischung verschiedener Techniken und Ausdrucksformen: In den 70er Jahren dominieren Collagen, oft in Kombination mit Übermalungen von Photographien oder Illustrationen aus Zeitschriften. Später verwendet und mischt er virtuos farbige Fettkreiden, Harze (Kolophonium), Kugelschreiber, Bleistift, Tusche und Aquarell. Seit den 70er Jahren integrierte Bernhard Sauter auch Sprache in seine Zeichnungen, sei es in Form von einzelnen Buchstaben, fremden Alphabeten oder selbst erfundener Schriftzeichen. In den 90er Jahren entstanden gar ganze Textbilder.
Diese Lust an der Entgrenzung, die sich im Mischen von Techniken und Ausdrucks-formen äussert, spiegelt sich in seinen Zeichnungen im dynamischen, beweglichen Strich, der die Dinge skizzenhaft wiedergibt. Dies hat zur Folge, dass die dargestellten Situationen und Gegenstände oft nicht eindeutig benennbar sind. Dahinter steht die Auffassung, dass die Erscheinungen der Welt nicht definitiv festgelegt sind und jedes Objekt mehr als eine Bedeutung haben kann. Sehr viele Zeichnungen zeigen surreale, auch skurrile oder makabere Szenen, worin sich Sauters Ansicht äussert, dass das Tragische und Dramatische der Existenz einzig in der Komödie ihren adäquaten Aus-druck erhält. Hieraus lässt sich auch seine Affinität zur Commedia dell’Arte verstehen, in welcher das pralle Leben als derbe Farce vorgeführt wird. Schliesslich scheint der schwarze Humor Bernhard Sauters Mittel zu sein, Grenzen zu testen, sich gegen Denk- und Realitätszwänge, gegen logische und ideelle Normen aufzulehnen. Auf inhaltlicher Ebene findet sich diese Haltung in der Beschäftigung mit Themen wie Eros und Tod, Mann und Frau, die in bald makaberen, bald lüsternen Zeichnungen in aller Direktheit dargestellt werden und Gestalt finden in Figuren wie Prostituierten, Artisten und fasnächtliche Masken, Figuren also, die sich an den Rändern der Gesellschaft bewegen.

Die Ausstellung ist – mit wenigen Ausnahmen, die thematisch begründet sind – chronologisch gehängt. Der erste Raum gibt einen Überblick über die Entwicklung des Werkes in stilistischer Hinsicht. Gleichzeitig sind die zentralen Themen in Sauters Werk, wie sie von ihm gegen Ende der 80er Jahre verstärkt und in zunehmend prägnanter Weise ins Bild gesetzt werden auch schon in diesen früheren Arbeiten zu entdecken.
Die grossen Gegensätze des Lebens, um die Bernhard Sauters Zeichnungen kreisen, sind in den beiden Räumen des Sturzenegger-Kabinetts einander gegenüber gestellt:
- Das Leben – repräsentiert von Frauen in unterschiedlichsten Darstellungen gegenüber dem Tod – repräsentiert in den Totentänzen und den apokalyptischen Landschaften.
- Das Verhältnis von Mann und Frau, Eros gegenüber den Selbstdarstellungen.

In den Vitrinen ist u.a. mit einigen Beispielen die Zusammenarbeit von Bernhard Sauter und Martin Schweizer in der Literaturzeitschrift HEFT dokumentiert, welche die beiden in den Jahren 1977 bis 1986 herausgegeben haben – und in der auch Beiträge von ihnen selbst publiziert sind.


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© Copyright: Bilder + Werke Bernhard Sauter / Fotos + Texte Eva Sauter Lemmenmeier