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Bernhard Sauter (© Copyright):

Was sagt ein Bild? Was sagt dieses Bild aus?

Text zur Ausstellung in Widen, 1993

Die Frage gleicht der Erkundigung nach dem Aussehen eines Gedichtes oder nach dem Klang des Sonntagsbratens. Trotzdem wird sie immer wieder gestellt, mal direkt, mal indirekt. Wieso eigentlich? Offenbar wünscht der betrachtende Mensch, "etwas gesagt" zu bekommen. Nur sitzt er mit diesem Anliegen im falschen Zug, denn bestenfalls könnte er, so er nur wollte, "etwas zu sehen" bekommen.

Wir lassen es uns zwar gefallen, in immer kürzerer Zeit immer mehr sogenannte Informationen verarbeiten zu müssen, aber eine Unterweisung in die Beschaulichkeit des Betrachtens findet nirgendwo statt.

Es gibt verschiedene Arten des Sehens. Das zweckgebundene zum Beispiel. Im täglichen Leben ist es unabdingbar, dass ein Verkehrssignal rechtzeitig erkannt und auch richtig interpretiert wird. Und damit zurück zur eingangs gestellten Frage. Hier passt die Antwort! Die Bildchen auf den Schildern machen eindeutige Aussagen, wie "... dass Männchen bzw. Weibchen hinter dieser Türe mal müssen dürfen..." usw. Solche Inhalte sind in den allermeisten Fällen so klar, so verständlich, dass ich diesen Teil des Themas nicht weiter zu vertiefen brauche. Auf das Glotzen nach seichter Unterhaltung und das Gaffen am Ort des Geschehens möchte ich ebensowenig eingehen wie auf das Sehen als Akt des Konsumierens. Interessanter erscheint mir das Sehen als kreativer Vorgang, das wohl am besten mit dem Begriff "Schauen" umschrieben ist.

Ich bin nicht der Ansicht, dass wir an einer Bilderflut ersticken, wie man es immer wieder nachgeplappert zu hören bekommt. Wir sind wohl mit optischen Reizen überfüttert, das Bild aber, und damit auch die Fähigkeit, Bilder zu betrachten, scheint in unserer Zivilisation eine eher unbedeutende Position einzunehmen. Jedenfalls auf das Bild bezogen sind wir Analphabeten geblieben.

Unverzichtbares Element in der Definition des Bildes ist die Stille.

Bilder sind immer still!

Es gibt Versuche, dem Bild eine multimediale Funktion (Film, Fernsehen) aufzuzwingen. Das gelingt nur scheinbar durch simples Dazutun anderer Elemente und, schlimmer noch, durch Verstümmelung, indem Bilder ihrer Eigenständigkeit beraubt werden. Aber trotzdem gilt: Das Bild an sich ist still.

Sich einem Bild nähern heisst seine Stille suchen. Die Geschwätzigkeit um Bilder, das aufgeplusterte Getue mit "Erklärungen" und dergleichen mehr stören diese Stille. Das Wissen um die Entstehung und das Umfeld eines Bildes führt sowieso nicht in sein Zentrum. Eine persönliche, originale Sehweise entspricht dem Wesen des Bildes besser. Vor allem, man betrachte es niemals durch die Ideen anderer.

Es gibt nichts weiter zu tun, als zu schauen. Selbstvergessen schauend ins Bild hinein, sogar durchs Bild hindurch, und ... wie wunderlich! ... plötzlich sieht man sich selber darin. Nun wird es erst recht interessant! Denn am Ende ist es die eigene Imagination, die uns das Abenteuer beschert, zu Entdeckungen führt und die Neugier von neuem anheizt. Der sicherste Weg, sich in der magischen Welt der Bilder und ihrer Stille einzurichten.

Bernhard Sauter


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